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Aussprache zur Großen Anfrage Schulsozialarbeit und Schulpsychologen

Sehr geehrter Herr Präsident,  
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
 
wissen Sie noch, wann Sie zuletzt in einer Schule waren mit dem Themenschwerpunkt Schulsozialarbeit und Schulpsychologen? Und vor allem: Wie lange und wie intensiv Sie mit den jeweiligen Mitarbeitern, sowie den Lehrern, Eltern, Schülern und Schulleitungen gesprochen haben dazu? Erinnern Sie sich an die Rückmeldungen und die geschilderten Probleme sowie die persönlichen Erlebnisse?
 
Ehrlich gesagt bin ich mir bei der Landesregierung manchmal nicht so sicher, denn wenn Sie sich an die Inhalte der Gespräche erinnern, die Presselandschaft dazu aufmerksam verfolgen und sich den Problemen auch wirklich annehmen würden, wären wir jetzt nicht in dieser schwierigen Situation.
Mir geht es um Antworten der Großen Anfrage meiner Fraktion, die einmal mehr verdeutlicht, wie der Umgang der Landesregierung mit dem Thema Schulsozialarbeit und mit den Schulpsychologen aussieht.
 
Eine Schule ist nicht nur ein „Lernort“, sondern auch ein „Lebensort“. Hier verbringen unsere Schülerinnen und Schüler und natürlich auch die Lehrkräfte einen großen Teil ihres Alltags.
Schule begleitet, fördert die Entwicklungen unserer Kinder und die Übernahme neuer Aufgaben. Neben dem Unterricht selbst spielen auch soziale Aufgaben zunehmend eine Rolle – eine wachsende Herausforderung für Lehrkräfte und Schulpersonal. Das immer komplexer werdende soziale Zusammenleben birgt Konflikte – Konflikte, die durch eine aktive Schulsozialarbeit aufgefangen werden muss.
 
Das Problem liegt jedoch darin, dass das Land die Schulsozialarbeit in Rheinland-Pfalz systematisch nicht genügend fördert. Die bereitgestellten Mittel für Schulsozialarbeit in unserem Bundesland reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken; dabei steigt der Bedarf an Schulsozialarbeit an. Und dies an allen Schulformen! 
 
Wir wissen seit Jahren, dass insbesondere Schulpsychologen nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Doch was hat das Land gemacht? Wir hörten uns die Sätze an wie: Der Markt ist leergefegt, aber wir haben Programme und Ideen. Wir kümmern uns. Ganz ehrlich: Unter dem Begriff „kümmern“ verstehen wir als CDU etwas anderes. Wir erwarten konkrete Konzepte und Ansätze, wie Sie ihrem auch eigenen Anspruch gerecht werden möchten.
 
Aktuell werden erst 282,88 Vollzeitäquivalente an Stellen für Sozialarbeit durch das Land gefördert. Das ist nach wie vor viel zu wenig. Dabei kommen rund 1000 Schüler auf eine Schulsozialarbeiterin/einen Schulsozialarbeiter. Das ist schlicht nicht machbar und eine ordentliche und individuelle Betreuung kann so kaum gewährleistet werden.
 
Wir fordern als CDU-Landtagsfraktion schon seit Jahren, dass ein Sozialarbeiter im ersten Schritt „nur“ noch 500 statt 1000 Kinder betreuen muss. Wir stehen an der Seite der Schüler und Schulsozialarbeiter und forderten deshalb in der jüngsten Haushaltsdebatte eine signifikante Erhöhung des Personalkontingentes. Bereits im kommenden Schuljahr sollten so 100 Stellen mehr ermöglicht werden. 2,5 Millionen Euro wären dazu nötig – ein Betrag, den die Landesregierung schlicht ablehnte.
 
Was bei der Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage in Bezug auf die Frage nach den Gründen der Förderung von Schulsozialarbeit besonders auffällt ist, dass sie nicht konkret antwortet. Sie bleiben einmal mehr schwammig oder zitieren das Schulgesetz oder das Sozialgesetzbuch. Auch wird - wie üblich - die Hauptverantwortung für die Schulsozialarbeit auf die Kommunen geschoben – es wäre laut Kinder- und Jugendhilfegesetz deren originäre Aufgabe.
 
Frau Staatssekretärin Brück, selbst wenn rund 7 Mio. Euro für allgemeinbildende Schulen und rund 3,4 Mio. Euro für berufsbildende Schulen jährlich vom Land als Unterstützung der örtlichen Träger zur Umsetzung des Angebotes fließen, reicht dies bei Weitem nicht aus - die Rückmeldungen aus der Schülerschaft, den Lehrerkollegien, den Berufsverbänden, Gewerkschaften und die der Fachkräfte sprechen klar eine andere Sprache.
 
Unverantwortlich ist auch, dass Schulsozialarbeit an Grundschulen und Gymnasien grundsätzlich nicht vom Land gefördert wird. Zu guter Bildung gehört auch, dass Politik und Gesellschaft insgesamt die seelischen Belastungen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mehr in den Blick nehmen. Es sind die Verbandsgemeinden, Städte und Kreise, die hier mit ihrem Haushalt jährlich versuchen, die so dringend notwendige Schulsozialarbeit zu finanzieren. Ihnen gilt unser größter Dank, denn sie haben die Notwendigkeit erkannt.
 
Ein ähnliches Bild zeichnen die Antworten der Landesregierung bei unseren Fragen zu den Schulpsychologen: Das Land trägt hier die Kosten für landesweite 65 Vollzeitäquivalente an Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. 
Dafür wurden 2021 rund 4,1 Millionen Euro ausgegeben. Auch das ist einfach viel zu wenig. Bei 408.803 Schulkindern (Statistik-Stand 2021) ist es unverständlich, dass es in Rheinland-Pfalz nur 70 Schulpsychologen gibt. Im neuen Haushalt wurde nun eine weitere Planstelle für die Schulpsychologie vorgesehen. Frau Staatssekretärin Brück mal im Ernst: Als ob eine Stelle mehr jetzt das Problem löst!
 
Ebenso ist es einfach erschreckend von Kolleginnen und Kollegen immer wieder zu hören, dass sie in mehr als dringenden Fällen, wo Schulpsychologen adhoc gefragt sind, beispielsweise suizidale Gedanken oder ähnliche Umstände, dass es dann, trotz der Bedrohlichkeit, immer noch Wochen dauert, bis ein ausgebildeter Schulpsychologe Zeit hat für Gespräche und Intervention.
Und wer ist es, der dann mehr denn ja zur Stelle ist und hilft, agiert, handelt, berät und für eine Deeskalation sorgt?! Genau! Die Schulsozialarbeiter! Wir alle wissen doch, wie wichtig ihre Arbeit ist!
 
Die CDU hört die vielen Forderungen nach mehr Fachkräften und wir sehen vor allem die großartige Unterstützungsarbeit, die Schulsozialarbeiter in unseren Schulen leisten. Wir teilen die Meinung der Schulen und Verbände, dass die bereitgestellten Mittel für Schulsozialarbeit in Rheinland-Pfalz nicht ausreichen, um den Bedarf und die große Anfrage auch nur ansatzweise zu decken. Und da reden wir nicht nur von der Problematik, dass sich während Corona die Themen der Probleme gesteigert haben. Nein! Seit Jahren wird der Pool der Sorgen und Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit und die der Schulpsychologen größer! 
 
Vor diesem Hintergrund – und auch mit Blick auf die Verunsicherungen und Ängste durch den Krieg in der Ukraine und die daraus entstehenden Herausforderungen – sind die in der Antwort genannten Zahlen und Informationen insgesamt ein Skandal. Sie zeigen die massive Unterfinanzierung des Systems an Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern durch das Land Rheinland-Pfalz auf und beweisen, mit welcher „Wichtigkeit“ sich die Landesregierung diesen wesentlichen Themen annimmt – nämlich mal eben nur so kurz am Rande, aber offensichtlich nicht ernsthaft und mit voller Überzeugung.
Eine kontinuierliche Arbeit der Schulsozialarbeit bedeutet, dass das zuständige Personal nicht nur einmal in der Woche für wenige Stunden an der Schule ist. Denn sind wir ehrlich, es gibt Fälle, die definitiv keinen zeitlichen Aufschub erdulden - es muss sofort gehandelt werden und nicht erst, wenn das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist! Ihre Politik der Schulsozialarbeit wird der Realität und dem Anspruch, den sie haben muss, nicht gerecht!
 
Zum Abschluss möchte ich noch betonen, dass auch mit den neuen Haushaltsmitteln die Arbeit nicht getan ist. Das so viel und stolz aufgeführt „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona“ ist ein Bundes- und kein Landesprogramm. Die dort fließenden 8,38 Mio. Euro, die dem Land Rheinland-Pfalz zustehen, reichen zur Stärkung und zum Ausbau der Schulsozialarbeit nicht aus, um sie erfolgreich und nachhaltig zu implementieren. Folglich sind die zusätzlichen Mittel im Haushalt Bundesmittel und kein eigenes Landesgeld.
 
Wie also sieht es dann mit Ihrer Politik und Ihren Plänen aus, Frau Dr. Hubig, wenn die Programme auslaufen? Zahlt dann das Land das Personal weiter oder müssen die Kommunen wieder einspringen, die ohnehin schon extrem klamme Kassen haben?
 
Wir sind der Meinung: Schulsozialarbeiter sind pädagogisches Personal, analog zu den Lehrern, und damit müssen sie mit Landesmitteln finanziert werden! Es muss damit eine verpflichtende Aufgabe des Landes werden, dies in sein Schulgesetz aufzunehmen. Daher werden wir als CDU-Landtagsfraktion den Weg der Gesetzeseinbringung gehen und uns für die Änderung des Schulgesetztes mit Blick auf die Schulsozialarbeit einsetzen!
 
Dort wird ebenso klar formuliert sein, dass Schulsozialarbeit Aufgabe des Bildungsministeriums ist und nicht auf mehrere Ministerien zugleich verteilt werden kann. Als CDU-Landtagsfraktion stehen wir ganz klar für die Bildungsgerechtigkeit im Land! Das heißt für uns auch, dass wir eine feste Schlüsselzuweisung vom Land insbesondere für die Brennpunktschulen fordern! 
 
Wir dürfen kein Kind abhängen und vernachlässigen! Schulsozialarbeit ist für uns auch ganz klar Prävention und Hilfestellung. Wenn wir hier frühzeitig handeln, helfen wir Generationen von Kindern nachhaltig. Wir brauchen gut ausgebildete und vor allem in ausreichender Anzahl vorhandene Schulsozialarbeiter! Unsere Gesetzesinitiative wird diesem im Bereich der Schulsozialarbeit gerecht und allen Kindern, Jugendlichen, Trägern, Lehrern wie Eltern und über allem den Wert der Schulsozialarbeit enorm steigern!
 
Frau Staatsministerin Brück, ich kann nur dringend appellieren, gehen Sie mit uns diesen Weg! Stehlen Sie sich mit der Landesregierung nicht aus der Verantwortung! Wir stehen als Opposition gerne mit Rat und Tat zur Seite, damit Sie und das Land den Schulsozialarbeitern und den Schulpsychologen endlich den notwendigen Stellenwert schenken, und dieser drückt sich neben der Wertschätzung auch in den monetären Modalitäten aus, indem alle Kinder und Jugendlichen im Land die Möglichkeit haben, ausreichend Schulsozialarbeiter an ihren Schulen zu haben - unabhängig der Schulform und des Trägers! Wir laden Sie und die gesamte Landesregierung ein, mit uns dieses Gesetz hier im Parlament zu verabschieden!
 
Vielen Dank!